Kreuze an Wegen und besonderen Orten
Das Wegekreuz als einzige Hoffnung, habe in den zurückliegenden Jahrhunderten vielen Menschen Trost gegeben. Geplagt von Hunger und Seuchen, bedrängt von Krieg und Plünderungen oder gepeinigt von Not und Elend - Anlässe für Kreuzsetzungen gab es viele. Aber nicht nur im Unglück wurde an Gott gedacht, es wurden auch Kreuze zur Ehre Gottes errichtet und damit wurde öffentlich die tiefe Frömmigkeit bekundet.
Während die meisten Wegekreuze von ortsansässigen Handwerkern gefertigt wurden, waren es in wenigen Fällen Bildhauer, die sich im Stein verewigten. Das Gräfinthaler Madersteck Kreuz wurde 1753 von dem Holzschnitzer und Steinmetz Jean Madersteck aus Saarunion gefertigt.
Das Wegekreuz im Höllengässchen
Text : Peter Lauer, Kleve.
Der ursprüngliche Standort des aus Sandstein gefertigten und mit einem Eisengitter eingefassten Wegekreuzes „Höllengässchen“ war ca. 80 Schritte oberhalb des Teufelssteines, nahe einer alten Linde.
Kreuz und Gitter wurden während des 2. Weltkrieges stark zerstört und konnten nicht mehr aufgestellt werden. Teile des Kreuzes wurden in den Rebenhängen zum Ausbau von Terrassen und Treppen benutzt. Hauptbestandteil des Kreuzes war ein Sandsteinsockel, der im Jahre 1979 als Treppenstufe in den Rebenhängen gefunden wurde. Der Heimatforscher Horst Hein (seine Initialen stehen auf dem Sockel: „H.H.“), in der Straße am Höllenberg wohnhaft, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dieses historische Kreuz wiederherzustellen.Nachtrag zum Wegekreuz im Höllengässchen https://strato-editor.com/.cm4all/uproc.php/0/.20220612_181509.jpg/picture-400?_=181bbc71fdd
Was fehlte, war das obere Kreuz. Eine zufällige Lösung bot die gerade laufende Entfernung von Grabsteinen auf dem örtlichen Friedhof. Im Rahmen dieser Arbeiten sollte auch das Familiengrab von Ludwig Müller (1855 – 1931) aus Bliesmengen und seiner Frau Katharina Berresheim (1858 – 1942) aus Heckendalheim entsorgt werden. Der auffällig gestaltete Grabstein, 1931 von Johann Lauer aus Sandstein gefertigt, besaß ein guterhaltenes Kreuz, das sehr gut auf das wiedergefundene Wegekreuz passen würde. Otto Kraus, ehemaliger Lehrer, erinnert sich noch gut daran, dass er sich damals auf dem Friedhof aufhielt. Er wusste von der Suche von Horst Hein, nach einem geeigneten Kreuz. Gesagt, getan! Das Kreuz der Familie Müller wurde nicht entsorgt, sondern zu Horst Hein auf die Siedlung geschafft. 1
Fachmännisch sanierte der Handwerker Hein das Kreuz und den Sockel. Am Höllengässchen wurde es mit Hilfe von Familienangehörigen wieder aufgestellt. Die Neusetzung erfolgte anlässlich der Feiern zum 800-jährigen Jubiläum der Gemeinde 1980.2
Der Sockel über dem Fundament trägt die Inschrift: „Das thu ich für Dich. Was thust Du denn für mich“ und darunter die Jahreszahl „1884“ der wahrscheinlichen Setzung am ersten Standort.
Woher stammt dieser Text? Unter einem Kreuzigungsbild des italienischen Barockmalers Domenico Fetti (1589 – 1623) steht „Ego pro te haec passus sum; tu vero, quid fecisti pro me?“ („Ich habe dies für dich gelitten; du aber, was hast du für mich getan?“, meist schlichter übersetzt mit „Das tat ich für dich; was tust du für mich?“)3 In der Sprache seiner Zeit hat der Bildhauer den Titel auf dem Sockel unseres Kreuzdenkmals verewigt, der auf Wunsch der Stifter jeden Vorübergehenden zum Nachdenken anregen sollte.
Darüber der Bildstock mit zwei aus dem Stein herausgemeißelten sehr schönen Relieffiguren, links die heilige Katharina mit Folterrad (als Zeichen des Martyriums), rechts der heilige Nikolaus mit Mitra und Hirtenstab (im Gewand eines katholischen Bischofs.) Eine künstlerisch sehr wertvolle Arbeit eines unbekannten Stein- oder Bildhauers.
Als Abschluss thront das ehemalige Grabkreuz von Johann Lauer, dessen Kreuzarme an den Enden nicht wie üblich flach, sondern spitz auslaufen.
An der linken Seite des Sockels ist der Name „K. Kihm“, rechts der Name „N. Hermann“ eingemeißelt. Die Angaben „w.a. 1979“ (wiederaufgefunden 1979) / „renov. 1980“ (renoviert 1980) / „H.H.“ (Horst Hein) weisen auf den Retter des Wegekreuzes hin.
Der Grund seiner Errichtung und der erste Standort geben Rätsel auf. Im Ortsfamilienbuch Bliesmengen-Bolchen finden wir Nikolaus Hermann der III., ein Tagelöhner und Ackersmann (*06.06.1807 Bliesmengen, + 11.01.1890 Bliesmengen). Er ist Nachfahre einer der ältesten urkundlich belegten Familien im Ort. Nikolaus wird im Ort „Bitzen Clos“ genannt 4.
Seine Ehefrau Katharina Kihm (*31.07.1808 auf dem Neuhof/zu Bebelsheim, + 14.08.1884 in Bliesmengen) war die zweitälteste Tochter von Joseph Kihm, Ackersmann und Hofmann auf dem Ponsheimer Hof und Neuhof.
Beide heirateten standesamtlich am Donnerstag, den 05. Februar 1835 in Bliesmengen. Die Ehe blieb, außergewöhnlich für die Zeit, kinderlos. (OFB S. 303 Nr. 855)5
Die Entstehungsgeschichte des Kreuzes bleibt unbekannt. Eine erste Vermutung ist, dass das Denkmal ursprünglich ein Grabstein der Eheleute Hermann/Kihm war. Das auf dem Sockel in anderer Schrift als der Text eingemeißelte Jahr 1884 ist das Sterbejahr von Katharina Kihm. Dann hätte der Ehemann den sakralen Stein für seine Frau auf dem örtlichen Friedhof über dem Grab errichten lassen. Sehr bemerkenswert auch die beiden Heiligenfiguren Nikolaus und Katharina, zugleich die Vornamen der Eheleute Hermann und Kihm. Wie, wann und aus welchem Anlass das Kreuz zum Höllenberg gelangte, ist ebenfalls nicht bekannt.
Folgen wir seiner Entstehung als Grabstein ist zu vermuten, dass er nach Auflösung des Grabes als besonderes Kreuzdenkmal für erhaltenswürdig geschätzt wurde und aus diesem Grunde seinen späteren Standort am Höllengässchen fand. Der Weg über diesen ursprünglichen Rebenpfad, durch die „Entenwiese“ bei Habkirchen bis zur Blies, wo sich schon damals eine Brücke befand und über den Frauenberger Berg weiter bis zu den Arbeitsstätten in Saargemünd wurde von vielen Bewohnern täglich in beide Richtungen begangen.
Einiges spricht dafür, dass Nikolaus das Kreuzdenkmal nach dem Tode seiner Frau aus Dankbarkeit für fast 50 glückliche Ehejahre als Gedenkkreuz errichten ließ. Jeder Vorübergehende sollte es sehen. So stellte er es an einem von den Bewohnern stark frequentierten Weg auf.
Seine Entstehung ist vielleicht auch der Tatsache zu verdanken, dass die Ehe kinderlos blieb. Die auf dem Stein dargestellte Katharina ist die Schutzpatronin der Ehefrauen und Mädchen. Sie gehört zu den drei heiligen Jungfrauen.
Beide wussten zu Lebzeiten, kein Kind würde später an ihrem gemeinsamen Grab auf dem Ortsfriedhof um die Eltern trauern und beten. Auch Nikolaus` drei Brüder Johann, Peter und Andreas waren zu seinen Lebzeiten schon verstorben.
Die Namen Hermann/Kihm stehen nicht frontal am Stein, sondern jeweils seitlich. Begeht man den Weg abwärts, ist sein Name, begeht man ihn aufwärts, ihr Name zu lesen. Gewöhnlich wurde das Höllengässchen von und nach Saargemünd in beiden Richtungen genutzt.
Bei einem Grabstein sind die Namen mit persönlichen Daten versehen und regelhaft, „frontal“ auf einer Schriftplatte positioniert oder in den Stein gearbeitet.
Folglich handelt es sich hier vielleicht nicht um ein Grab-, sondern um ein sehr schönes Wegekreuz. Solange uns Belege fehlen, bleibt seine Entstehung weiter „rätselhaft“.
So rätselhaft wie sein Standort, das Höllengässchen. Es ist bei den Einheimischen seit langer Zeit nicht nur als idyllischer und zielführender Weg von und nach Frankreich bekannt. Eine der Sagen des Mandelbachtales spielt eben auf diesem Weg.
Das Kreuz bildete früher den Abschluss der Bittprozession. Im Jahre 2010 begann der Verein für Dorfgeschichte seine Bittprozession am Wegekreuz „Im Höllengässchen“.
Nachtrag:
Text: Markus Sommer, Bliesmengen-Bolchen
Im Jahr 2020 informierten Mitbürger den Verein für Dorfgeschichte, dass das Wegekreuz umgestoßen und stark beschädigt an seinem Standort aufgefunden wurde.
Bei einer ersten Besichtigung durch Vereinsmitglieder konnte nicht geklärt werden, ob eine vorsätzliche Zerstörung oder sonstige Einflüsse für die Beschädigungen verantwortlich waren. Besonders in Mitleidenschaft gezogen waren das aufgesetzte Kreuz vom Bliesmenger Friedhof, sowie der Reliefteil mit den beiden Heiligenfiguren. Während das Relief selbst unbeschädigt blieb, gab es im hinteren Bereich des Steines erhebliche Abplatzungen, das Aufsatzkreuz war in mehrere Fragmente zerbrochen.
Sehr schnell war klar, dass eine Sanierung durch einen Bildhauerbetrieb unumgänglich ist. Um weitere Schäden zu verhindern, wurde das Kreuz mit Hilfe der Bliesmenger-Bolcher Feuerwehr aus dem Höllengässchen geborgen und eingelagert.
Schon bei dieser Bergung wurde deutlich, dass der Standort zwar sehr romantisch, aber eben auch sehr abgelegen, wenig einsehbar und dadurch die Verhinderung von Vandalismusschäden, fast unmöglich war.
Im nächsten Schritt wurden dann durch den Verein für Dorfgeschichte mehrere Sanierungsangebote bei Bildhauerbetrieben eingeholt und über einen geeigneteren Standort diskutiert. Der ursprüngliche Standort aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg befindet sich heute im Besitz der Geschwister Gerlinde und Franz Klingler, die sich sofort dazu bereit erklärten, einen Teil ihres Grundstücks als Standort zur Verfügung zu stellen.
Schnell zeigte sich, dass sich die Kosten für die Sanierung durch einen Fachbetrieb und die Neugestaltung des Standortes in Eigeninitiative, auf nahezu 5.000 Euro belaufen würden. Eine Summe die durch den Verein für Dorfgeschichte nicht zur Verfügung gestellt werden konnte. Umso erfreulicher war es deshalb, dass durch Initiative des inzwischen verstorbenen Ortsvorstehers Hans-Bernhard Faas, eine Förderung im Rahmen des „GAK Regionalbudget“ ermöglicht wurde. Die restlichen Kosten wurden dann von der Bliesmenger-Bolcher Interessengemeinschaft „Bolcher Buwe“ und dem Verein für Dorfgeschichte getragen.
Die anfallenden Arbeiten zur Neugestaltung des Standortes wurden durch die Gruppe „Dorfgestaltung“ des Dorfverein Bliesmengen-Bolchen, die Geschwister Franz und Gerlinde Klingler, Herrn Edgar Bachmann, Mitglieder des Vereins für Dorfgeschichte und zahlreiche hilfsbereite Nachbarn und Mitbürger geleistet.
Im Oktober 2021 konnte das restaurierte Wegekreuz dann durch den Bildhauerbetrieb Seel und Denk aus Spiesen-Elversberg am neuen Standort wieder aufgestellt werden und befindet sich im Alter von fast 140 Jahren wieder in einem sehr ansehnlichen Zustand.
An dieser Stelle sei nochmals der im September 2019 verstorbene Herr Horst Hein erwähnt. Ohne seine Initiative und leidenschaftliche Arbeit an diesem Denkmal, wäre es inzwischen sicher längst in Vergessenheit geraten und wahrscheinlich dem gänzlichen Verfall preisgegeben gewesen.
1 Angaben von Otto Kraus, Bliesmengen-Bolchen. Rita Bachmann, Bliesmengen-Bolchen bestätigt, dass es sich um das Grabkreuz der Großeltern ihres Mannes Rainer Bachmann handelt.
2 Vgl. Becker, B. (1993). Wegekreuze im Saarpfalzkreis, Ermer KG – Saarpfalz-Druck, Homburg, S. 309 f.; Hein, H. (1980). Denkmäler der Heimat. In: Bliesmengen-Bolchen. Unsere Heimat. Heimatbuch der Gemeinde Mandelbachtal Ortsteil Bliesmengen-Bolchen, Arbeitsgemeinschaft der Ortsvereine, Ermer KG – Saarpfalz-Druck, Homburg, S. 543; Thinnes, M. (1985). Wegekreuze und Bildstöcke im Saarland. Minerva-Verlag Thinnes & Nolte Saarbrücken, S. 146 f.
3 Ecce-homo. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Ecce_homo. Abgerufen am 07.04.2017
4 Clos ist abgeleitet von Nikolaus. Eine für Mengen-Bolchen typische Abkürzung für den Vornamen bei Haus- und Sippennamen. Bitzen Mittelhochdeutsch: bizune, althochdeutsch: bizuna bedeutet „bezäunt“. Der Bitzenteich könnte also ein eingezäunter Teich gewesen sein.
5 Nagel, K. & Stahl, C. (2014). Ortsfamilienbuch Bliesmengen-Bolchen. Die Einwohner und Familien seit dem 17. Jahrhundert. Verein für Dorfgeschichte e.V., Druck und Verlag Faber GmbH, Mandelbachtal.
Wegekreuz Im Höllengässchen - Aufnahme 2022- Foto: Markus Sommer
Nikolaus-Kreuz am Bliesweg
Standort: Bliesweg - Anwesen Roman und Monika Hoffmann
Bildstock an der Klostermauer
Wegekreuz Im Auweg
Collage des Friedenskreuzes auf dem Sommerberg (Auf der Haardt)
Errichtet 2014 von unseren Vorstandsmitgliedern Markus Sommer und Walter Linz
Grabstein des Gefallenen Adolf Klingler an der Friedhofsmauer in Bliesmengen-Bolchen
Renoviert 2014